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Meine Gedanken zum Thema Erziehung
Wenn ich meine Kindheit reflektiere, komme ich zu der Einsicht, dass ich getreu den Ansprüchen der Gesellschaft erzogen wurde. Mit Zwang, Bestrafungen und Bewertungen als Motivation, mein Leben in der Zukunft erfolgreich meistern zu können. Und „so“ wie ich Erziehung genossen habe, habe auch ich versucht, mit den mir bekannten Methoden meine Kinder bestmöglich auf ihr Leben vorzubereiten. Natürlich anders, ohne Gewalt, aber mit dem Fokus „nur die Besten schaffen es und davon nur 50 Prozent.

Jetzt, mit meinen vielen Lebenserfahrungen suche ich auf viele Fragen nach Antworten. Was ist das Ziel von Erziehung. Im Internet fand ich eine, für mich, tolle Zusammenfassung: „Die Aufgabe der Erziehung ist, den Kindern genügend Freiraum für ihre individuelle Entwicklung zu geben. Dabei soll das Kind aber nicht alleingelassen, sondern von den Erwachsenen beobachtet und geführt werden. Dies soll dem Kind ermöglichen, eine positive Lebenseinstellung zu entwickeln, Herausforderungen anzunehmen, Selbstvertrauen aufzubauen und Vertrauen in sein Können zu erlangen.“ Also es geht im Erziehungsziel um die Bedürfnisse von Kindern nach Zugehörigkeit und Verbundenheit, Autonomie und Freiheit, Förderung um Begabungen und Talente zu entfalten, Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung. Und dabei ist es die Aufgabe der Erwachsenen, mit viel Geduld, Ruhe und Ausdauer, mit Wertschätzung und Anerkennung das Leistungsstreben in gesunde Bahnen zu lenken, damit das Kind weder Über- noch unterfordert ist.

Schöne Worte! Nur meine Frage: Ist das in unserer heutigen Konsumgesellschaft, im Zeitalter der Digitalisierung und Globalisierung, verbunden mit dem Leistungs- bzw. Erfolgsdruck überhaupt noch möglich? Wo finden die Heranwachsenden noch Gelegenheit, die in ihnen angelegten Talente und Begabungen auf eine spielerische Weise zu erproben und ihrer angeborenen Freude am selbständigen Entdecken und am gemeinsamen Gestalten nachzugehen. Stattdessen werden sie unterrichtet, belehrt, kontrolliert, geprüft und bewertet, um den harten Wettbewerb standzuhalten. Um erfolgreich zu sein, haben wir gelernt unsere Interessen rücksichtslos gegen uns selbst und gegen andere, sowie auf Kosten der Natur durchzusetzen.

Als Eltern, Lehrer, usw. sollten wir endlich aufhören, unsere Kinder nach unseren geprägten Ansichten, nach den Vorstellungen des Wirtschaftssystems, sondern zu einem würdevollen Leben erziehen. So wie es der bekannte Hirnforscher Gerald Hüther formuliert: „Menschen, die sich ihrer Würde bewusst werden, sind nicht mehr verführbar. Solche Personen lassen sich von niemanden einreden, dass sie dies oder das noch brauchen, um glücklich zu sein. Sie brauchen weder andere, die sie und ihre Besitztümer bewundern, noch brauchen sie Macht, Einfluss, Reichtum oder irgendwelche Statussymbole, Stellungen oder Positionen, um sich wertvoll und bedeutsam zu erleben.“ 

Schon viele Menschen haben erkannt, dass so vieles, was sie tun, nicht dazu beiträgt, gesund zu bleiben und glücklich zu werden. Sie haben  verstanden, was in ihrem Leben und im Leben ihrer Kinder wirklich wichtig ist. Aus deren Erziehungsziel heraus wurde ein glücklicher Familienverband mit Erfolg in der Schule und im weiteren Berufsleben. Denn soziale Harmonie, Kreativität und kritisches Denken unserer Kinder werden in einer Welt, in der künstliche Intelligenz und Algorithmen die traditionelle Leistung menschlicher Hirne übernehmen, von zentraler Bedeutung sein.

Veröffentlicht am 29. Oktober im Osttiroler Bote/Rubrik Jugendkolumne